ja, liest sich gut, diese Phasen und diese Typisierung der Mediziner. Dummerweise entstand sie auf einem wenig wissenschaftlichen Weg und gilt allgemein als widerlegt, da empirisch unhaltbar. Zuletzt bemühte sich Schulz 1992 um die Jellinek´sche Typologie und wieß einen Unterschied zwischen Spiegel- und Gammatrinkern nach, das wurde sogar publiziert (Zeitschr. Sucht 1992 H.?). Dennoch gilt das paradigmatische medizinsche Modell mit seinen hübschen Phasen und Trinkkategorien schon seit den 80er Jahren als unhaltbar. Großer Beliebtheit erfreut es sich hingegen im therapeutischen setting, da gerade über die Trinkkategorien weitgehend eine Identifikation und somit Krankheitseinsicht möglich ist und beim Reha-Antragsverfahren, die die Sachbearbeitermühlen und Hirne recht langsam mahlen. Somit wird also ein "falsches" Modell beibehalten.
Auf die Frage "wer ist denn nun Alkoholiker" würde ich ganz klar - schlicht und einfach - antworten:
Alkoholiker ist jeder der die Kontrolle über seinen Alkoholkonsum verloren hat. Der ganz bestimmt nur ein Gläschen trinken will und nicht mehr aufhören kann. Dessen Gedanken sich nur um den "Stoff", seine Beschaffung, das heimliche Konsumieren, die ebenfalls heimliche Entsorgung des Leergutes, drehen. Dessen ganzer Lebensinhalt sich nur um das Thema Trinken dreht. Der sein soziales Umfeld zuerst vernachlässigt, dann verlässt, um immer tiefer zu steigen auf der Leiter der Sucht. Ein Fall ins Bodenlose. Ob diese Dinge für einen selbst zutreffen, das muss allerdings jeder für sich alleine im stillen Kämmerlein entscheiden. Ich würde zu niemanden sagen "Du bist ein Alkoholiker". Ich habe erfahren, dass es nicht selbstverständlich ist, trocken zu werden und dass es gewissermasse als Gnade angesehen werden darf, dass man sehr dankbar dafür sein sollte. Und zu diesem Trockenwerden gehört das Eingeständnis sich selbst gegenüber "Ich bin Alkoholiker". Ohne wenn und aber, ohne Schuldzuweisungen anderen gegenüber. Wenn ich sagen kann, dass ich Alkoholiker bin, kann ich aktiv etwas dagegen unternehmen. Ich kann tätig werden. Und dann kann es mir auch gelingen, trocken zu leben. Jeden Tag aufs Neue.
So sehe ich das.
Das ist mein erster Eintrag ins Forum, ich habe mich erst heute angemeldet
viele haben diese Art der Sucht so erlebt wie du es beschreibst. Teile davon treffen auch auf mich zu ( nicht aufhören können, heimlich, Lebensinhalt.. ) . Den Fall ins Bodenlose habe ich nicht erlebt, auch nicht den sozialen Abstieg bzw. die Vernachlässigung des Umfeldes. Bei meinem ersten Gespräch mit einem Therapeuten zu sagen ' ich bin Alkoholiker ' fiel mir auch nicht schwer. Das lief bei mir so ab:
Er: " Hallo, ich heisse ......., wie kann ich Ihnen (Dir) helfen ? " Ich: " Ich bin Alkoholiker und brauche jemanden der mir helfen kann. "
Später einmal hat er mir erzählt dass ihn dieser Gesprächsanfang doch überrascht hatte. Für mich war es fast selbstverständlich so zu beginnen, denn ich war damals so weit Hilfe anzunehmen. Ich wollte sie.
Mit " Gnade " kann ich im Zusammenhang mit alkoholabhängig/-krank nicht viel anfangen. Für mich hört sich das zu sehr nach ' göttlicher Gnade ' an. Die einzige Gnade ist vielleicht die, dass wir in einem Umfeld/Land/Gesellschaftssystem leben dürfen in welchem ein "trockenwerden und -bleiben" einfacher ist als anderswo.
ZitatGepostet von tommie Die einzige Gnade ist vielleicht die, dass wir in einem Umfeld/Land/Gesellschaftssystem leben dürfen in welchem ein "trockenwerden und -bleiben" einfacher ist als anderswo.
wie meinst' denn das ? gerade in unserer Gesellschaft ist der Alk doch bei jeder Gelegenheit praesent.
zur Frage "wer ist Alkoholiker" faellt mir noch was ein (ich weiss eh, es ist eine rein akademische Frage, ich bin's nun mal, und damit basta): Wenn man sich in den einschlaegigen Lokalen so umsieht, gibt's eigentlich sehr viele Leute, die regelmaessig dort mehrere Bier trinken, und daraus schliesse ich mal, dass die ein Alkoholproblem haben. Aber bei den meisten geht's ein Leben lang gut, die wurschteln sich so irgendwie durch, ohne dass Familie und Job wirklich in Gefahr geraten. (okay, was von der Umwelt noch toleriert wird, haengt vermutlich - ohne das jetzt wertend zu meinen- ein bisserl auch vom Milieu ab, in dem man sich bewegt.) Aber manchmal frage ich mich doch, wieso es gerade bei mir z.B. in vergleichsweise kurzer Zeit derart ausser Kontrolle geraten konnte - anders formuliert: was ist es eigentlich, das uns Alkoholiker von Nichtalkoholikern unterscheidet ?
du schreibst: ja, liest sich gut, diese Phasen und diese Typisierung der Mediziner. Dummerweise entstand sie auf einem wenig wissenschaftlichen Weg und gilt allgemein als widerlegt, da empirisch unhaltbar. Zuletzt bemühte sich Schulz 1992 um die Jellinek´sche Typologie und wieß einen Unterschied zwischen Spiegel- und Gammatrinkern nach, das wurde sogar publiziert (Zeitschr. Sucht 1992 H.?). Dennoch gilt das paradigmatische medizinsche Modell mit seinen hübschen Phasen und Trinkkategorien schon seit den 80er Jahren als unhaltbar. Großer Beliebtheit erfreut es sich hingegen im therapeutischen setting, da gerade über die Trinkkategorien weitgehend eine Identifikation und somit Krankheitseinsicht möglich ist und beim Reha-Antragsverfahren, die die Sachbearbeitermühlen und Hirne recht langsam mahlen. Somit wird also ein "falsches" Modell beibehalten.
Dem allem zu entgegnen würde den Rahmen dieses Boards sprengen. Meine Ansicht: du kritisierst - wenn auch ziemlich konfus - und stellst falsche Behauptungen auf. Du kannst dieses deiner Ansicht nach "falsche Modell" unten gerne noch einmal studieren und dich danach darüber auslassen. Laut Fraunhofer Gesellschaft und der Fachklinik Bad Tonisstein lautet der aktuelle (April 2002) wissenschafltiche Stand wie folgt: ............................................................
Die erste und bis heute grundlegende Untersuchung über die Krankheit Alkoholismus stammt von dem amerikanischen Professor Dr. E. M. Jellinek. Im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation untersuchte er mehrere Tausend Fallgeschichten von Alkoholikern und fasste das Ergebnis in einem Schema von 4 Phasen und - innerhalb dieser - 45 Stufen zusammen.
Die Reihenfolge der 4 Phasen steht fest, wobei diese jedoch oft unmerklich ineinander übergehen. Hingegen bedeutet die Aufzählung der 45 Stufen nicht, dass der Alkoholiker diese alle durchlaufen muss oder genau in dieser Reihenfolge. Die Stufen sind vielmehr besonders typische Merkmale oder Symptome der fortschreitenden Alkoholkrankheit. Im Einzelfall können viele übersprungen werden oder auch fortfallen; nicht erwähnte Merkmale können evtl. hinzukommen. Bildhaft lässt sich sagen: Die Stufen treffen gleich Mosaiksteinen aufeinander und zeichnen in ihrer Gesamtheit das Bild des Alkoholikers.
Die bedeutungsvollste Stufe ist die 8., der Kontrollverlust. Hier trennt sich unwiderruflich der Alkoholiker vom ("Nur-") Trinker (oft verstanden als Gesellschafts-, Erleichterungs- oder "Problemtrinker"). Ab dieser Stufe kann man im engeren Sinne von einer Erkrankung sprechen; mit dem Kontrollverlust zeigt sich beim Alkoholiker ein Krankheitssymptom, das er weder willentlich steuern noch zum Verschwinden bringen kann. Es gibt dann kein Zurück mehr zum "normalen Trinken" und keine "Heilung" der Abhängigkeit, sondern die Krankheit kann nur noch durch dauernde und vollständige Abstinenz zum Stehen gebracht werden.
Spätestens vom Eintritt der Stufe 8 an ist es auch sinnlos und falsch, das Verhalten des Alkoholikers moralisch zu bewerten. Während der Trinker noch für Art und Menge des Alkoholgebrauches durchaus verantwortlich ist, verliert der Alkoholiker schon nach kleinsten Mengen die Herrschaft, die "Kontrolle" darüber, ob und wie viel er weiter trinken wird; es setzt eine - krankheitsbedingte - Willenslähmung ein, gerade bezüglich der weiteren Alkoholaufnahme, die dann geradezu zwanghaft und oft gegen alle guten Einsichten und Vorsätze erfolgt.
Der "Kontrollverlust" ist nicht zu verwechseln mit der Erinnerungs- oder Gedächtnislücke, auch "Filmriss" oder "Black-out" genannt (Punkt 1 der 45 Stufen!).
Das Jellinek - Schema
A. Voralkoholische Phase Gelegentliches Erleichterungstrinken Erhöhung der Alkoholtoleranz Häufiges Erleichterungstrinken.
Der erste Beginn des Konsums alkoholischer Getränke ist bei dem potentiellen Alkoholiker meist sozial motiviert, wie bei jedem anderen auch. Im Gegensatz zum durchschnittlichen Gesellschaftstrinker empfindet der spätere Alkoholiker bald eine befriedigende Erleichterung beim Trinken. Dabei schreibt er seine Erleichterung eher der Situation als dem Trinken zu, z.B. der lustigen Gesellschaft, dem Fest, dem Kegeln oder Skatspielen usw.; daher sucht er Gelegenheiten, in denen beiläufig getrunken wird.
Nach einer bestimmten Zeit des Trinkens wird eine Erhöhung der Alkoholtoleranz festgestellt, d.h. der Trinker braucht eine größere Menge Alkohol als früher zur Erreichung des gewünschten euphorischen Stadiums. Diese Trinkmethode dauert je nach Umständen Monate und Jahre, - sie geht vom Stadium des gelegentlichen zum häufigeren Erleichterungstrinken über. Im gleichen Maße fällt die Toleranz des Trinkers für seelische Belastungen in solch einem Umfang ab, dass er praktisch täglich Zuflucht zur alkoholischen Erleichterung nimmt. Sein Trinken erscheint jedoch weder seinen Angehörigen, Freunden noch ihm selbst verdächtig.
B. Anfangsphase
1. Gedächtnislücken Plötzliches Auftreten von Erinnerungslücken - medizinisch Amnesien genannt. Sie können ohne Anzeichen von Trunkenheit auftreten. Der Trinker kann eine vernünftige Unterhaltung führen oder schwierige Arbeit leisten, ohne am nächsten Tag eine Erinnerung daran zu haben, wenn auch noch einzelne Erinnerungsfetzen bestehen. Der Alkohol hört praktisch auf, ein Getränk zu sein, sondern er wird als "Medizin" benötigt, die der Trinker braucht.
2. Heimliches Trinken Aus dem Unterbewussten entwickelt sich bei dem Trinker die vage Vorstellung, dass er anders als andere Leute trinkt. Um nun nicht aufzufallen oder falsch beurteilt zu werden, sucht er bei Geselligkeiten Gelegenheiten zum Trinken von ein paar Gläsern ohne das Wissen der anderen; er trinkt "heimlich".
3. Dauerndes Denken an Alkohol Ohne sich dessen recht bewusst zu werden, denkt der Trinker oft und über das normale Maß hinaus an Alkohol, ein Beweis für seinen erhöhten Bedarf.
4. Gieriges Trinken Wegen seiner vermehrten Alkoholabhängigkeit tritt jetzt das "gierige Trinken", nämlich das hastige Herunterkippen der ersten Gläser, auf.
5. Schuldgefühle wegen der Trinkart Da der Trinker sich allmählich bewusst wird, dass sein Trinken ungewöhnlich ist, entwickeln sich bei ihm "Schuldgefühle" wegen seiner Trinkart.
6. Vermeiden von Anspielungen auf Alkohol Aus dem vorgenannten Schuldgefühl heraus beginnt der Trinker, bei Unterhaltungen "Anspielungen auf Alkohol" zu vermeiden.
7. Häufigkeit der Gedächtnislücken Die Häufigkeit von Gedächtnislücken, in Verbindung mit dem Verhalten 2.-6., wirft den Schatten der Alkoholsucht voraus und sollte dem Trinker als dringende Warnung dienen.
C. Kritische Phase
8. Unwiderstehliches Verlangen nach mehr Alkohol nach dem ersten Glas (Kontrollverlust) Es ist das Stadium erreicht, in dem bei dem Trinker ein unwiderstehliches Verlangen nach mehr Alkohol entsteht, sobald eine kleine Menge Alkohol in seinen Körper gelangt ist. Dieses Verlangen wird als zwingender Bedarf empfunden und hält gewöhnlich an, bis der Trinker zu betrunken oder zu krank für eine weitere Alkoholaufnahme ist. Dieser alkoholische Exzess, medizinisch Alkoholabusus genannt, braucht nicht durch irgendein persönliches oder psychisch bedingtes Bedürfnis eingeleitet zu werden, sondern kann aus einer "harmlosen" gesellschaftlichen Gelegenheit entstehen. Der "Kontrollverlust" bedeutet nicht, dass der Trinker immer trinken muss, er setzt vielmehr erst während des Trinkens und durch das Trinken ein. Der Trinker hat in der konkreten Situation noch immer die Entscheidungsfreiheit darüber, ob er trinken will oder nicht. Das wird allein durch die freiwilligen abstinenten Perioden bewiesen, die oft nach derartigen Exzessen eingehalten werden.
In diesem Zusammenhang wird oft die Frage erhoben, warum der Trinker nach seinen verhängnisvollen Erfahrungen anlässlich seiner wiederholten Exzesse denn dann immer wieder anfängt zu trinken. Er ist in diesem Stadium bereits alkoholabhängig geworden, wenn es ihm auch nicht bewusst ist. Sein Wille in Verbindung mit Alkohol ist mindestens beeinträchtigt, er selbst jedoch glaubt, dass er seine diesbezügliche Willenskraft nur vorübergehend verloren hat und sie daher wiedererlangen kann und muss. Er ist sich jedoch darüber nicht im klaren, dass in ihm ein Vorgang (Abhängigkeitserkrankung) abgelaufen ist, der es ihm unmöglich macht, seinen Alkoholkonsum über längere Zeiträume hinweg einzuschränken oder zu kontrollieren.
9. Erklärungen, warum man so trinke (Alkoholausreden, Alibis) Mit dem Einsetzen des Kontrollverlustes beginnt der Alkoholiker sein Trinkverhalten zu erklären und schafft sich durch "Alkoholausreden" Alibis, d.h. Erklärungen, die ihn selbst davon überzeugen sollen, dass er die Kontrolle nicht verloren hat. Er redet sich selbst ein, dass er "guten" Grund zum Sichbetrinken habe und er ohne "diesen" Grund genauso mäßig oder überhaupt nicht wie die anderen trinken könne. Hier setzt der große unbewusste Selbstbetrug des Alkoholikers ein und damit verbunden der Betrug an seiner Umwelt.
10. Soziale Belastungen Dieser Selbstbetrug ist nun beim Alkoholiker der Anfang eines ganzen "Erklärsystems", das sich immer mehr auf jede Ebene seines Lebens ausbreitet. Dieses "System" dient nun auch als Widerstand gegen die "sozialen Belastungen", die zusammen mit dem "Kontrollverlust" entstehen. Seine Trinkart fällt unterdessen auch der Umwelt auf. Angehörige, Freunde, Kollegen und Arbeitgeber beginnen, den Alkoholiker zu tadeln oder zu warnen.
11. Übergroße Selbstsicherheit Auf das Verhalten der Umwelt reagiert der Alkoholiker mit "übergroßer Selbstsicherheit" nach außen, obwohl bei ihm selbst ein deutlicher Verlust an Selbstachtung einsetzt. Er versucht, diesen Verlust durch Extravaganz und Großspurigkeit zu kompensieren, um sich selber davon zu überzeugen, dass er noch nicht so schlecht dran ist, wie er manchmal gedacht habe.
12. Auffällig aggressives Benehmen (die anderen sind schuld) Durch sein "Erklärsystem" isoliert sich der Alkoholiker in zunehmendem Maß von seiner Umwelt, die in seinen Augen an allem schuld ist. Auf dieses angebliche "Schuldsein" der Umwelt reagiert er dann mit auffällig aggressivem Benehmen.
13. Innere Zerknirschung, dauerndes Schuldgefühl (Anlass zum erneuten Trinken) Das auffällige Verhalten des Alkoholikers gegenüber seiner Umwelt reflektiert auf ihn selbst und ruft nun auch in ihm Schuldgefühle hervor, die zur inneren Zerknirschung führen. Diese Zerknirschung sucht er erneut mit Alkohol zu überspielen, und so setzt der circulus vitiosus (Teufelskreis) ein.
14. Perioden völliger Abstinenz Bisweilen gelingt es dem Alkoholiker, diesen "circulus vitiosus" zu durchbrechen, indem er Perioden völliger Abstinenz durchläuft. Dabei folgt er dann auch dem zunehmenden sozialen Druck.
15. Änderung des Trinksystems Die abstinenten Perioden führen jedoch wieder zum Rückfall, da er seinem Grundübel, dem "Selbstbetrug", nicht begegnet und daher dem ständigen inneren Druck nicht standhält. Aus diesem "Selbstbetrug" heraus ändert der Alkoholiker jetzt sogar sein Trinksystem, indem er sich selber "Regeln" aufstellt, so z.B. nicht vor einer bestimmten Tageszeit zu trinken oder nur an bestimmten Orten, oder nur diese und jene Art und Menge Alkohol zu trinken, usw.
16. Fallenlassen von Freunden (Feindseiligkeit gegen die Umwelt) Die Umwelt erkennt natürlich die Änderung der Verhaltensweise des Alkoholikers, entlarvt ihn ob seiner "scheinbaren" Abstinenz und durchschaut die Änderung seines "Trinksystems". Darauf reagiert der Alkoholiker mit Feindseligkeit und lässt seine Freunde fallen.
17. Verlassen oder Wechseln des Arbeitsplatzes Das Verlassen oder Wechseln des Arbeitsplatzes ist nur eine Konsequenz aus seinem feindseligen Verhalten gegenüber der Umwelt. Freunde und Bekannte lassen den Alkoholiker fallen, oft verliert er auch den Arbeitsplatz. In vielen Fällen übernimmt er auch in dieser Richtung selber die Initiative als vorausschauende Verteidigung und zum Sich-Entziehen unliebsamer Tadel und Mahnungen.
18. Konzentrierung des Benehmens auf Alkohol Da sich der Alkoholiker immer mehr verlassen sieht, konzentriert er sich im verstärkten Maß auf den Alkohol als "Medizin und Seelentröster".
19. Verlust an äußeren Interessen Der Alkoholiker denkt darüber nach, wie eine bestimmte Arbeit sein Trinken stören könnte (statt umgekehrt) und lehnt alle Interessen ab, die ihn daran hindern können.
20. Neuauslegung mitmenschlicher Beziehungen Im Alkoholiker verstärkt sich zunehmend das Gefühl, dass die Umwelt an seinem Fehlverhalten schuld sei. Dieses Gefühl ruft in ihm eine immer stärker werdende Anspruchshaltung hervor, aus der heraus er nur noch den Wert oder Unwert seiner mitmenschlichen Beziehungen bemisst.
21. Auffallendes Selbstmitleid Diese Auslegung seiner mitmenschlichen Beziehungen ist mit einem auffallenden Selbstmitleid verbunden. Er kann doch nichts dafür, die anderen wollen ihm doch immer etwas!
22. Gedankliche oder tatsächliche Flucht Sein "Erklärsystem", seine "Isolation" und sein "Selbstmitleid" haben jetzt derartige Formen angenommen, dass der Alkoholiker versucht, sich den daraus entstandenen Problemen durch gedankliche Flucht (sich selber etwas vorgaukeln und gedanklich in eine bessere Atmosphäre versetzen) oder tatsächliche (geographische) Flucht zu entziehen.
23. Änderungen im Familienleben Unter dem Eindruck dieser Vorfälle tritt eine Änderung im Familienleben ein. Nicht nur der Alkoholiker hat sich zunehmend isoliert, sondern auch seine Familienangehörigen ziehen sich zunehmend von ihm zurück. Auch entwickeln sie eine ausgiebige Betriebsamkeit, um dadurch der häuslichen Umgebung zu entkommen.
24. Grundloser Unwillen Der Alkoholiker selbst lebt jetzt in einem anhaltenden Spannungszustand, der oft bei ihm grundlosen Unwillen auslöst.
25. Sichern des Alkoholvorrats Das vorherrschende Interesse an Alkohol veranlasst den Alkoholiker, sich seinen "Alkoholvorrat" immer zu sichern, wobei er auch dazu übergeht, ihn zu verstecken.
26. Vernachlässigung angemessener Ernährung Sowohl das "Sichern des Alkoholvorrats" als auch die ersten Auswirkungen auf den Organismus durch das ständige Trinken (Appetitlosigkeit) bringen den Alkoholiker dazu, seine Ernährung zu vernachlässigen bzw. sich völlig einseitig zu ernähren (Kotelett, Frikadellen, Würstchen, Brühen usw. - Vitaminmangel).
27. Erste Krankenhauseinweisung wegen alkoholischen Beschwerden Die ersten organischen Schäden werden akut (Gastritis, Leberschäden, neurotische Störungen), stationäre Behandlung wird erforderlich.
28. Abnahme des Sexualtriebes Während sich zu Beginn der Trinkerzeit eine erhöhte Potenz bemerkbar machte und an die Ehefrau oft unzumutbare Forderungen gestellt wurden, zeigt sich jetzt eine zunehmende Impotenz des Alkoholikers.
29. Alkoholische Eifersucht Auf Grund der eigenen zunehmenden Impotenz steigert sich beim Alkoholiker die Feindschaft gegen seine Ehefrau. Er unterstellt ihr außerehelichen Geschlechtsverkehr und verfällt dadurch in die "alkoholische Eifersucht". Reaktionen seiner Ehefrau auf sein Fehlverhalten werden von ihm grundsätzlich missverstanden, ein anderer Mann wird dahinter vermutet.
30. Regelmäßiges morgendliches Trinken In diesem Stadium haben Gewissensbisse, Unwillen, Kampf zwischen Alkoholverlangen und Pflichten, Verlust der Selbstachtung und Selbstmitleid, Zweifel und Selbsttäuschung den Alkoholiker so zerrüttet, dass er den Tag nicht beginnen kann, ohne sich nach dem Aufstehen oder noch vorher mit Alkohol zu beruhigen. Ja, er kann schon seine Arbeit ohne Alkohol nicht mehr ausführen. Durch den bisherigen Prozess des Alkoholismus ist die moralische und körperliche Widerstandskraft des Alkoholikers schon völlig untergraben.
D. Chronische Phase
31. Einsetzen des verlängerten Rausches Die zunehmend beherrschende Rolle des Alkohols und das durch das morgendliche Trinken entstandene "Verlangen" brechen schließlich den Widerstand des Alkoholikers. Er ist jetzt auch am hellen Tag und bisweilen öfters in der Woche betrunken. Oft verharrt er mehrere Tage hintereinander in diesem Zustand, so dass er dem "verlängerten Rausch" unterliegt, bis er völlig unfähig ist (geistig und körperlich), noch etwas zu unternehmen.
32. Bemerkenswerter ethischer Abbau Die mit diesen anhaltenden Exzessen verbundene Gleichgültigkeit gegenüber der Umwelt haben bei dem Alkoholiker einen erheblichen ethischen Abbau zur Folge.
33. Beeinträchtigung des Denkens Auch das Denkvermögen weist erhebliche Ausfallerscheinungen auf. Sachliche Überlegungen vermag der Alkoholiker nicht mehr anzustellen, seine Gedanken verfolgen nur noch "krumme Wege".
34. Alkoholische Psychosen Bei vielen Alkoholikern treten in diesem Stadium die ersten "alkoholischen Psychosen" auf, das sind durch Alkohol bedingte Geistesstörungen, Halluzinationen, psychosomatische und psychoasthenische Reaktionen.
35. Trinken mit Personen unter Niveau Der Verlust der Moral und oft auch der Verlust der eigenen sozialen Stellung bewirken häufig, dass der Alkoholiker nach dem Motto: "Unter den Blinden ist der Einäugige König" mit Personen weit unter seinem Niveau trinkt, oder allgemeiner: mit Personen, mit denen er sonst im Leben kaum Kontakt suchen würde.
36. Zuflucht zu technischen Produkten Wenn der Alkoholiker nichts anderes hat oder seine finanziellen Mittel nicht mehr ausreichen, nimmt er zur Befriedigung seiner Gier Zuflucht zu technischen Produkten, wie Kölnisch Wasser oder Haarwasser, Franzbranntwein oder minderwertigem Wermut.
37. Verlust der Alkoholtoleranz Geistige und körperliche Widerstandskraft sind abgebaut, der Alkoholiker benötigt keine große Menge mehr, um in den Vollrausch zu kommen. Jedoch der Vollrausch wird in seiner Wirkung immer kürzer. Das Trinken wird daher immer hektischer, der circulus vitiosus rotiert immer schneller.
38. Undefinierbare Ängste und Zittern werden Dauererscheinungen Anhaltendes Zittern (Tremor), 39. ständige Niedergedrücktheit (Depression), Angstzustände (traumatische Neurosen) sind in diesem Stadium Symptome beim Alkoholiker, die auftreten, sobald in seinem Organismus kein Alkohol mehr vorhanden ist. Die ersten prädeliranten Zustände treten auf. Diese Zustände versucht der Alkoholiker dann wiederum mit Hilfe von Alkohol unter Kontrolle zu bekommen bzw. sie damit zu über
40. Organische Nervenschädigungen (Polyneuropathie) Infolge der chronischen Alkoholintoxikation (Vergiftung) treten länger dauernde Schädigungen des peripheren Nervensystems auf, die also auch noch nach dem Entzug Störungen verursachen: Kribbeln und Taubheitsgefühle (sensibles Nervensystem), Greif- und Gangstörungen (motorisches Nervensystem) - vorwiegend in Händen, Armen, Füßen, Beinen.
41. Trinken wird Besessenheit Aus der Notwendigkeit heraus, Ängste, Zittern, Hemmungen usw. zu überwinden, sieht der Alkoholiker sich gezwungen, ständig zu trinken. Damit nimmt sein Trinken den Charakter der Besessenheit (Obsession) an.
42. Unbestimmte religiöse Wünsche Da der Alkoholiker für sein Fehlverhalten, das er allmählich als solches erkannt hat, immer weniger eine Erklärung findet, gibt er sich dubiosen "religiösen" Vorstellungen hin, die sich bis zum "religiösen Wahn" steigern können.
43. Das Erklärsystem versagt Aber auch die vorerwähnten "religiösen Vorstellungen und Wünsche" vermögen dem Alkoholiker keine Antwort auf seine ständige Frage nach dem "Warum" zu geben. Die Erklärungen, die er sich aus seinem eigenen "Erklärsystem" gibt, werden so häufig und unbarmherzig der Wirklichkeit gegenübergestellt, dass sie vollständig versagen. Er weiß sich keine Antwort mehr und gesteht seine Niederlage ein.
44. Zusammenbrüche Als Folge dieser Niederlagen ergeben sich für den Alkoholiker seelische Zusammenbrüche, oft verbunden mit der "alkoholischen Epilepsie". Diese Zusammenbrüche sind oft so schwerer Natur, dass die ärztliche Behandlung unbedingt notwendig ist. Selbstmordversuche sind in diesem Stadium nicht selten.
45. Alkoholdelirium Beim Alkoholiker tritt - meist im Entzug - ein hochgradiger Verwirrtheitszustand auf, mit Wahnideen und schwerer motorischer Unruhe (evtl. mit Fieber verbunden; der Ausgang kann tödlich sein). Wird in dieser Stufe (Endstufe) das Stadium der Korsakow'schen Erkrankung erreicht, ist die Zerstörung der Gehirnzellen irreparabel. Korsakow-Syndrom: psychischer Folgezustand nach schweren toxischen, infektiösen, traumatischen oder arteriosklerotischen Hirnschädigungen.
Symptomkomplex, der gekennzeichnet ist durch hochgradige Störungen der Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit, Auffassung und Reproduktion sowie Gedächtnisausfälle, die durch Erinnerungsfälschungen (Konfabulationen) ersetzt werden; daneben zeitliche und örtliche Desorientierung, euphorische, später stumpfe und gleichgültige Stimmungslage, Initiativlosigkeit und rasche Ermüdbarkeit.
Der Alkoholische Korsakow (Korsakow-Psychose) beginnt meist mit einem Delirium tremens und ist oft verbunden mit der alkoholischen Polyneuropathie (s. Punkt 40). ...........................................................
Solltest du etwas besseres haben, immer her damit. Man kann ja über alles diskutieren. Dafür brauchen wir allerdings auch eine Vorgabe.
ZitatGepostet von tommie Die einzige Gnade ist vielleicht die, dass wir in einem Umfeld/Land/Gesellschaftssystem leben dürfen in welchem ein "trockenwerden und -bleiben" einfacher ist als anderswo.
wie meinst' denn das ? gerade in unserer Gesellschaft ist der Alk doch bei jeder Gelegenheit praesent.
Hi Richie,
ich meine damit u.a. die zahlreichen Möglichkeiten sich helfen lassen zu können.
Man sollte das nicht als "selbstverständlich" ansehen. Es als "Gnade" zu bezeichen ist vielleicht auch unpassend, aber es ist so gemeint, dass in sehr vielen anderen Regionen/Ländern solch ein Hilfeangebot nicht selbstverständlich ist.
Hallo Tommie, ich empfinde es als Gnade trocken leben zu können, weil ich sehe, dass nicht automatisch jeder, der das will, es auch zustande bringt. Statt Gnade könnte man auch Dankbarkeit sagen, aber das ist mir ein bisschen wenig. Vielleicht ist das auch AA-Jargon, wichtig allein ist mir, dass es ist wie es ist. Wenn ich etwas geschenkt bekomme, das mir so umfassend hilft, das mich rettet - gewissermassen - dann empfinde ich es als Gnade. Ich kann auch eine stille Stunde, die ich gerade dann habe, wenn ich sie ganz dringend brauche als Gnade empfinden. Aber bitte, wenn du meinst, dass du es nur dir selbst zu verdanken hast, dass du es geschafft hast - bis heute - dann ist das auch recht. Nur warum hast du es auf einmal geschafft? Warum hast du sagen können "ich bin Alkoholiker und ich will nicht mehr..." auf einmal, keinen Tag früher und auch keinen Tag später??? Aus reinem Leidensdruck? Den hattest du bestimmt x-mal früher auch und er hat dich nicht dazu gebracht, etwas zu unternehmen. Doch "göttliche Gnade"?
Viel Spass heute noch, einen WUNDERbaren Tag wünscht
natürlich habe ich "es" nicht alleine geschafft. Das beschreibe ich auch ganz klar auf der Homepage. Die letzten 2 Sätze aus meiner "Alkoholkarriere" lauten dort: " Denn - alleine hätte ich es nicht geschafft. Und - es ist schön nicht alleine zu sein. "
Und ganz klar: nein - KEINE göttliche Gnade. Ein Gott, was für einer auch immer, hat da bei mir mit Sicherheit seine Finger nicht im Spiel. Da bin ICH mir ganz sicher.
Jetzt wirds weltanschaulich In deinem Trinken und Nichttrinken hast nur Du und Dein Arzt Platz?.... Ich muss nochmals Deine Geschichte lesen, ich muss gestehen, sie nur etwas oberflächlich durchgesehen zu haben, weil sie ziemlich lang war, sorry. Aber die Trinkergeschichten haben alle - so verschiedenen sie zu sein scheinen - sehr viel gemeinsam, deshalb kommt es mir immer hauptsächlich auf die Gegenwart an und nicht auf die Vergangenheit. Im Grunde genommen ist es piepegal, wen man für sein trockenes Leben auf einen Sockel stellt: den lieben Gott, sich selbst, garniemanden oder seinen Hund.
Ich bin auf jedenfall dankbar für das Geschenk des heutigen Tages und hoffe, dass ich das Beste aus ihm machen werde - trocken.
ich habe nicht vor jemanden auf einen Sockel zu stellen, wozu auch. Und mich selbst ganz bestimmt nicht, so ganz schwindelfrei bin ich nämlich nicht.
Natürlich haben bei meiner persönlichen "Nass-Trocken-Geschichte" mehr als nur meine Ärztin und ich selbst Platz. Das wissen DIE aber auch. Aber irgendein göttliches Wesen (ausser meiner Freundin) ist in dem Verein nicht Mitglied.
Fragen kann ich ja- wenn Du nicht möchtest brauchst Du ja nicht antworten:
Da scheinen mir relativ heftige Emotionen bei Dir vorzuliegen, immer wenn es um den Deiner Ansicht nach garantiert unbeteiligten (nicht vorhandenen ?) Gott, o.ä. geht ... ?