Ich bin 38, beruflich erfolgreich, ledig, keine Kinder aber einen Freund. Niemand weiß von meinen Problemen, weder meine Familie noch mein Freund, noch Kollegen. Allerdings bin ich eigentlich schon davon überzeugt, dass ich seit mindestens 10 bis 15 Jahren ein Alkoholproblem habe. Ich war auch mal Heroin/Crack/Kokain/Valium-süchtig, was ich allerdings hinter mir gelassen habe. Im Prinzip nicht dadurch, dass ich einen ordentlichen Entzug mit Therapie gemacht habe, sondern dadurch dass ich aus meiner damaligen "Scene" in New York City nach Deutschland geflohen bin, wo ich niemand kannte und auch keinerlei "Connections" hatte. Ich bin zwar clean aber ich glaube dass das mehr mit der geographischen Situation zu tun hat, sowie mit dem was ich mir inzwischen aufgebaut habe und was ich durch einen Rückfall verlieren könnte. Inzwischen drinke ich viel zu oft und assoziere viele Situationen mit Alkohol, ähnlich wie ich das mit Drogen tat. Beispiel: ein sonniger Tag am Strand wäre mit ein paar Gläsern Wein gleich viel besser. Kartenspielen mit Freunden macht mehr Spass wenn man angeheitert ist. Ich drinke nicht jeden Tag, nie morgens und nie während der Arbeitszeit. Ich habe auch keine Blackouts oder total Besäufnisse, aber ich kann an einem Abend ohne weiters eine dreiviertel Flasche Wein drinken. Harter Alkohol interessiert mich nicht. Ich kann auch wenn es sein muß eine zeitlang ohne Alkohol auskommen, allerdings denke ich dann viel zu oft dran. Niemand in meiner Familie drinkt, aber mein Freund hat seit etwa einem Jahr angefangen am Wochenende ein paar Glas Whiskey zu trinken. Das war für mich ein willkommener Anlass auch zu trinken, was ich sonst in seiner Gegenwart ziemlich vermieden habe. Ich kann mich niemand anvertrauen, denn damit würde ich ja ziemlich als Loser dastehen und davor habe ich Angst. Ich bin mir darüber bewußt dass ich ein Problem habe, weiß aber nicht was ich machen soll......
du schreibst: "..weiß aber nicht was ich machen soll...". Einen Schritt hast du doch schon gemacht: du willst dich informieren, eventuell selbst testen oder einzuschätzen versuchen.
Deine 'Vorgeschichte' zeigt bei dir wohl ein erhebliches Suchtpotential auf. Aber du schreibst ja auch: "Inzwischen drinke ich viel zu oft und assoziere viele Situationen mit Alkohol." Du bist dir im Grunde genommen sicher, ein 'Alkoholproblem' zu haben. Dein Einwand "Ich drinke nicht jeden Tag, nie morgens und nie während der Arbeitszeit" hat damit nichts zu tun. Denn das Problem ist nicht abhängig von der Trinkmenge oder -zeit. Weiterhin:"Harter Alkohol interessiert mich nicht." Dazu nur so viel: Ich hätte mich "nur" mit Bier fast zu Tode getrunken.
Ich rate dir zu folgendem: mache dich in einer Beratungsstelle, gleich welcher Art, schlau. Falls ich dir mit Adressen oder Tel.nummern solcher Stellen in deiner Nähe weiterhelfen kann, so tu ich das gerne. Natürlich kann auch dein Arzt eine Anlaufstelle sein, das ist bei gewissen Konstellationen aber nicht immer ratsam.
Und - du wirst es vielleicht bald selbst merken: dieses Looserimage ist ein falsches Vorurteil. Denn trockene Alkoholabhängige sind sehr stark, ganz verdammt starke Persönlichkeiten !
Erstmal vielen Dank für deine schnelle Antwort. Ich weiß schon lange dass ich ein Problem habe, wobei ich das sehr gut verstecken kann. Die Loserproblematik ist allerdings so groß, dass ich noch nicht bereit bin mich "öffentlich" zu outen und einfach so in eine Beratungsstelle zu maschieren. Ich hoffe irgendwie immernoch das Problem auf anderem Wege in den Griff zu bekommen. Um meinen Alkoholkonsum zu verdeutlichen: ich hatte drei Wochen hatte ich Urlaub. Das ist im Normalfall eine Zeit zu der ich schon mittags am liebsten was trinken würde, besonders wenn das Wetter gut ist. Ich hab also etwa eine Woche fast jeden Tag was getrunken. Danach hab ich eine Woche für eine Zertifizierung gebüffelt und fast nix getrunken. Dann bin ich in ein islamisches Land gereist und war dort mit Leuten zusammen die nicht getrunken haben. Also habe ich auch nix getrunken. Ich habe mich sogar ziemlich gut gefühlt. Seit ich wieder da bin und arbeite, hab ich an ein paar Abenden bis etwa 2 Gläser Sekt oder Wein getrunken, aber nie genug um den Alkohol zu spüren. Heute hatte ich das totale Verlangen danach und trinke seit etwa 3 Stunden an einem kleinen Glas sauer Gespritzen (Apfelwein mit Sprudel). Naja...irgendwie muß das doch auch mit Selbstkontrolle und Willenskraft zu bewältigen sein. Gibt es denn keinen anderen Weg als eine Beratungsstelle???
Selbsthilfe und Selbstkontrolle zur Veränderung des Trinkverhaltens sind in der Regel nur möglich, wenn keine körperliche und nur geringe psychische Abhängigkeit besteht. Wer sich bezüglich Selbstkontrolle testen will sollte:
- 4 Wochen ohne Alkohol leben. - Dabei keine Entzugssymptome haben. - Alkoholbedürfnis läßt schnell nach. - Nach den 4 Wochen kein großes Bedürfnis, gleich wieder zu trinken. - Gegebenenfalls wenig und nur in adäquaten Situationen. - Möglichkeit des Selbstbetrugs prüfen.
Viel mehr fällt mir dazu nicht ein, versuche es doch telefonisch (eine Beratung oder einfach nur ein Gespräch). Du hast von diesen helfenden Stellen anscheinend eine falsche Meinung; natürlich gehört dazu ein wenig Überwindung, wohl auch ein Eingestehen der eigenen Schwäche oder Hilflosigkeit. Ich kann es dir aber nur wärmstens empfehlen. Du triffst dort Leute, die nur eines wollen: dir helfen ! Und es wird dich auch niemand bedrängen dies oder das zu tun.
sorry, dass ich mich erst heute melde, aber ich war seit Dienstag Mittag ohne Netz. In weiten Teilen kann ich mich Tommie nur anschliessen, jedoch noch ei paar Anmerkungen.
Den 4 Wochen Test halte ich nicht fuer ganz ungefaehrlich, denn ich denke mal, wenn man sich Gedanken ueber sein Trinkverhalten macht, ist das wohl schon ein Zeichen, dass man ein Trinkproblem hat. Ausserdem, mal eine Zeitlang ohne Alkohol auszukommen, kann leichtfallen, wenn man weiss, man "darf" danach wieder. Ich hab es mal geschafft, 3 Monate nichts zu trinken, und das war dann spaeter mir selbst, als auch anderen gegenueber immer meine Ausrede, dass ich ja schliesslich kein Alkoholiker sein kann, sonst haette ich es ja damals schliesslich nicht durchgehalten. (Nicht, dass ich dir was unterstellen will, aber dass Unterbewusstsein kann einem manchmal solche Eier legen...)
Das mit dem Looser-Image vergiss am besten gleich sofort wieder, obwohl ich dein Gefuehl natuerlich nachvollziehen kann, ging mir ja genauso - "jeder Dorftrottel kann saufen, nur ich nicht" (stimmt sprachlich nicht ganz, Saufen kann ich ja leider, nur nicht Trinken....)
ZitatGepostet von kaosgirl Naja...irgendwie muß das doch auch mit Selbstkontrolle und Willenskraft zu bewältigen sein. Gibt es denn keinen anderen Weg als eine Beratungsstelle???
Ich haette mich nie zu einem Arzt oder Therapeuten getraut, weil ja da eine gewisse Ungleichheit besteht. Aber es gibt ja zum Glueck auch Selbsthilfegruppen, die nur aus Betroffenen bestehen - das hat mir sehr geholfen, weil da das Schamgefuehl wegfaellt.
ZitatGepostet von kaosgirl .... Glas sauer Gespritzen (Apfelwein mit Sprudel)
In A kann ich Dir einige Gruppen nennen (aus dem G'spritzten samt Uebersetzung ins Bundesdeutsche schliesse ich mal auf deine geographische Zugehoerigkeit) bzw kene viele Leute aus der "Szene". Ich bin aus Leoben und urspruenglich Wiener.
ganz nebenbei: hab gerade einen 12 stunden arbeitstag hinter mir. an solchen abenden trinke ich nie. nur wenn's mir richtig gut geht..um das gefühl irgendwie zu verstärken.
nun zu eigentlichen thema: vielleicht bin ich einfach noch nicht soweit. das war mit meiner drogensucht ähnlich. der verlauf war so schleichend dass ich mir mindestens ein jahr (bei täglichem heroin konsum) einreden konnte, dass ich ja gar kein junkie war, denn ich sniffte das zeugs ja nur, und auch nur eine kleine menge, und nie in irgendwelchen "shooting galleries". erst als ich mit dem crack anfing und merkte, dass dieser dreck mich noch viel schneller ruinierte hab ich angefangen heroin zu spritzen, um wieder vom crack runter zukommen. ich hatte einen wohlhabenden freund der sich als co-dependent herrlich eignete und meine drogensuch finanzierte. es gab also keinen zu großen leidensdruck. erst als ich merkte, dass ich innerlich tot war, und nicht mal in der lage normale gefühle zu empfinden oder auszudrücken, überkam mich die sehnsucht nach meinem alten (gesunden) ich. das war dann der zeitpunkt an dem ich alles hinter mir lies und neu anfing, allerdings wohl mit einer spätlast. dann kam das mit dem alkohol. wie gesagt, das geht jetzt schon gut 15 jahre ohne erkennbare verschlechterung oder verbesserung der lage. ich habe keine körperlichen sympthome wenn ich eine zeitlang nicht trinke (14 tage bis einen monat) aber ich habe ein verlangen danach. natürlich wäre der "dröhn" meiner wahl heroin, aber dieses risiko will ich nie wieder eingehen. also trinke ich. anders wie bei heroin, kann man ja nur eine gewisse menge trinken ohne dass es einem schlecht oder schwindelig wird, und so schaue ich dass ich auf das angeheiterte level komme und versuche dort zu bleiben. ich habe keinen leidensdruck. niemand weiß von meinem problem oder ahnt irgend etwas. ich hatte noch nie ärger wegen alkohl, sei es dass ich mich daneben benahm, den führerschein aufs spiel setze oder im job unangenehm auffiel. tja...irgendwo bin ich wohl ein verschleierungskünstler. vielleicht wäre es einfacher für mich wenn es jemand wüßte, und es wäre ja so einfach. selbst hier im haus ist ein nachbar der schon x therapien und entgiftungen hinter sich hat. ich rede oft mit ihm über seine suchtprobleme mit dem alkohol und erzähle von denen die ich mit den drogen hatte. von meinen akuten problemen erzähle ich nichts. jeder der mich kennt sieht mich als eine art superwoman an. ich habe es geschafft von den drogen loszukommen, mit schulabbruch in der 11. klasse einen ingeneurs posten zu bekommen, habe eine hepatitis c erfolgreich besiegt und mein leben so wunderbar organisiert und gestaltet. das ist eine große last, die es nicht zulässt auch nur den geringsten versuch zu machen mich zu "outen". ich bin so eine schrecklich geheimnistuerin und es gibt so viele dinge die ich nie ausspreche sondern mit mir rumtrage, und den schein dabei wahre. ich weiß nicht warum ich das tue. es gibt so viele dinge: ich würde gerne mal meinem freund sagen dass mir der sex so wie er ihn "verabreicht" nicht gefällt. statt dessen fake ich als ob mir das spass macht, und lass es über mich ergehen. ich würde meinem vater, der alles nur durch eine materialistische brille sieht und mich in meinem ganzen leben noch nie gefragt hat wie es mir eigentlich geht (das jahresgehalt und die karriere sind ja auch viel wichter...), sagen, dass er hingehen soll wo der pfeffer wächst und nicht immer versuchen solle mich zu kaufen. ich würde gerne meiner mutter eine große lüge beichten und kann nicht (als ich in new york war hatte ich eine abtreibung...ich bildete mir aber ein ein kind zu haben und habe so getan als hätte ich eins...zumindest in meinem tagebuch. sie hat das irgendwann ohne meine erlaubnis gelesen und zu strafe behauptete ich ja, es sei wahr und das kind hätte ich zur adoption freigegeben. sie glaubt das leider noch heute, und mich belastet das sehr) ABER ICH KANN EINFACH NICHT.....ich könnte mich auch vor niemanden so outen wie ich das hier tue. wie, um gottes willen, soll ich den da einfach in so eine beratungsstelle rein und klartext reden?
zu deiner Frage: "...soll ich denn da einfach in so eine Beratungsstelle rein und Klartext reden?" Eine klare Antwort von mir: JA, und zwar bald, oder noch besser, besuche einmal eine Selbsthilfegruppe. Und - volkstümlich gesprochen - lass dort einmal so richtig die Hosen runter.
Zu deinem sehr ausführlichen und mich nachdenklich stimmenden Post werde ich dir Nachmittags mehr schreiben. Denn die Antwort darauf ist nicht so schnell gefunden.
oops...man könnte direkt denken ich war gestern alkoholisiert um soviel von mir preiszugeben. stimmt nicht. ich war eigentlich nur hundemüde. und jetzt ist mir dieser beitrag recht peinlich. ich habe sogar davon geträumt. was ist wenn das jemand liest der mich kennt, und den zusammenhang herstellt. aber irgendwie hat das auch ganz gut getan und mir ein bisschen klarheit geschaffen. die drei "lügen" (mit dem alkoholproblem sind es eigentlich 4) belasten mich wirklich ziemlich, da ich eigentlich ein recht offener und ehrlicher mensch bin, das mag zwar im widerspruch zu meinen geheimnissn stehen, aber es funktioniert so. ich war nach meiner ankunt in deutschland überigens in einer (drogen)selbshilfegruppe. das fand ich nicht so toll. irgendwie wurde ich dort wie das tolle paradebeispiel gehandelt, dass es möglich ist dem sumpf zu entkommen und neu anzufangen. ich kam mir schäbig vor da ich ja eigentlich die drogensucht gar nicht besiegt hatte sondern nur vor ihr geflohen bin. dass ich mich nicht wie ein "winner" fühle, habe ich dort aber nie gesagt weil die all so stolz auf mich waren. also...wieder das gleiche spiel wie immer.
jetzt mal was anderes: so wie das was ich hier gepostet habe klingt das nach einem echten "nutcase"...hm. ich bin aber auch ein sehr positiver, optimistischer mensch und habe eine große lebensfreude. es gibt auch vieles an mir dass ich gut finde. ich denke mein größtes problem ist es mich mit negativen dingen auseinander zusetzen, die versuche ich immer schnellst möglichst zu verwischen und zu verdrängen...nach dem motto: hahaha, das war doch alles nicht so schlimm. und ruh' ist's.
ich bin wirlklich dankbar dass ihr zwei mir geantwortet habt..möchte aber nicht, dass ihr denkt dass ich euch zu meinem emotionalen mülleimer machen wollte...
ich finde auch, Du solltest so schnell wie moeglich in eine SHG gehen. Z.B. zu den AA, gerade die Anonymitaet ist dort eine der wichtigsten Traditionen. schau doch mal unter "http://www.anonyme-alkoholiker.at/deutsch/links.htm" rein. (Und wenn dir die erste Gruppe nicht gefaellt, geh in eine andere, denn natuerlich kann es passieren, dass mal in einer Gruppe ein paar Leute sind, mit denen die Chemie nicht stimmt.)
Das Gefuehl, das man nach aussen hin super "funktioniert" und innen geht's einem beschissen, kenne ich. Weisst Du, ich war der typische Spiegeltrinker, eigentlich nie besoffen, daher auch nicht unangenehm aufgefallen, und lange Zeit hat keiner was gemerkt. Gluecklich verheiratet, guten Job, einen Lebenslauf, der sich gut liest, aber eigentlich wollte ich nur noch sterben...
Nur, fall bitte ja nicht auf dieses "so schlimm ist's ja noch nicht"-Gefuehl rein, erstens wird es schlimmer, das ist eben leider der ganz normale Suchtverlauf, und zweitens wirst du immer einen finden, dem's gerade noch dreckiger geht...
Zu deinem langen Post faellt mir auch total viel ein, ich hab leider im Moment nicht die Zeit, darauf ausfuehlich zu Antworten, aber ich denke Tommie macht das eh sehr gut.. Alles Gute !
bitte verstehe das was ich jetzt schreiben werde nicht als Onlinehilfe in Sachen Sucht, Abhängigkeit oder Gefährdung. Es stellt nur meine ganz persönliche Meinung zu den von dir angesprochenen Problemen dar. Aber ich muss gestehen, es juckt mich in den Fingern, darauf ausführlich zu antworten. Ich möchte versuchen dir (fast) Satz auf Satz etwas zu schreiben.
"Vielleicht bin ich einfach noch nicht soweit". Das musst natürlich DU alleine wissen und merken. Bei der Entscheidung kannst du aber von Erfahrungen anderer profitieren. Wieso also den Leidensdruck noch verstärken ?
"Dann kam das mit dem Alkohol. Wie gesagt, das geht jetzt schon gut 15 Jahre ohne erkennbare Verschlechterung oder Verbesserung der Lage." Eine (für dich) etwas merkwürdig erscheinende Frage: wieso tust du es dann ? Das ergibt doch weder einen Sinn noch scheinst du etwas damit zu bewirken, es sei denn, du belügst dich selbst.
"Ich habe keine körperlichen Sympthome wenn ich eine zeitlang nicht trinke aber ich habe ein Verlangen danach." Damit erübrigt sich das '4-Wochen-Programm'. Denn das Verlangen bleibt ja.
"...aber dieses Risiko will ich nie wieder eingehen. also trinke ich." Da liegst du ganz falsch. Alleine in Deutschland sterben über 40 000 Menschen pro Jahr an den Folgen des Alkoholmissbrauchs. Ganz zu schweigen von diversen Dunkelziffern. Da fallen 2000 sogenannte Drogentote kaum ins Gewicht (rein rechnerisch natürlich). Trinken ist nicht harmlos. Definitiv nicht.
"...und so schaue ich dass ich auf das angeheiterte Level komme und versuche dort zu bleiben." Das erinnert mich sehr stark an meine eigene Alkoholkarriere. Ganz allmählich, langsam und schleichend hatte ich sich das entwickeln lassen: um - ganz am Schluss - dieses 'Level' auf ca. 2,5 Promille hochgeschaukelt zu haben. Dein Versuch, mit einer kleinen Menge auf dieses 'Level' zu kommen und möglichst lange zu bleiben, wird kläglich scheitern. Darauf gehe ich jede Wette ein.
"Ich habe keinen Leidensdruck. Niemand weiß von meinem Problem." Natürlich hast du Leidensdruck. Und was für einen. Dabei spielt es (für dich) überhaupt keine Rolle ob jemand etwas 'merkt'. Du belügst dich damit selbst. Das ist aber auch dein gutes Recht, das kann dir niemand verbieten. Höchstens DU DIR selbst.
"Tja...irgendwo bin ich wohl ein Verschleierungskünstler. Vielleicht wäre es einfacher für mich wenn es jemand wüßte." Das dachte ich auch jahrelang, und genau denselben Wunsch hatte ich: dass es endlich jemand merken würde. Dabei hatten es schon sehr viele bemerkt. Nur - sie haben alle sehr, sehr lange nichts gesagt. Vertraue also nicht auf die Hilfe derer, von denen du glaubst sie würden dir eventuell helfen. Mach DU den ersten Schritt. Hole dir Hilfe dort, wo du sie qualifiziert bekommst, wo Leute sitzen, die genau das durchgemacht haben was dir gerade widerfährt. Dabei ist es egal an welche Institution du dich wendest: Selbsthilfegruppe, Beratungsstelle, Onlineberatung, telefonische Hilfe, Krankenhaus oder (Haus)Arzt. Wichtig ist nur: lass zu dass man dir helfen darf.
"Von meinen akuten Problemen erzähle ich nichts." WIESO NICHT ? ? ? Das wäre ein erster Schritt.
"...und mein Leben so wunderbar organisiert und gestaltet." Das glaube ich dir nicht. Dieses 'wunderbar' steht auf einem Haufen Problem-Lügen-Verschweigen-Den Schein Wahren-Selbstbetrug - Berg. Du hast das nicht 'organisiert', sondern zusammengelogen.
"Das ist eine große Last". Natürlich ist es das. Und je länger du das 'durchziehst', desto größer wird dieser Lastenberg werden. Auch darauf eine Wette: er wird umfallen, und der Lärm dabei wird umso lauter sein je länger du diesen Berg wachsen läßt.
"Es gibt so viele Dinge die ich nie ausspreche sondern mit mir rumtrage." Das ist im Prinzip das gleiche Problem wie dein 'Lastenberg', und auch das läßt ihn schneller höher werden. Kannst du wirklich mit Niemandem darüber sprechen ? Beste Freundin, alter Kumpel, ein Nachbar, vielleicht ein Pfarrer oder Seelsorger ? Überlege dir das einmal. Wenn es da wirklich niemanden gibt, scheinst du ziemlich einsam zu sein. Das wäre zumindest eine Überlegung wert.
"Ich weiß nicht warum ich das tue." Für viele ist das Wissen um ein 'warum' wichtig. Bei dir scheint es mir wichtig zu sein das zu ergründen. Möglich wäre das u.a. in einer Therapie. Allerdings ohne Garantie.
"...meinem Freund sagen dass mir der Sex so wie er ihn "verabreicht" nicht gefällt." Na hör mal, wieso sagst du zu ihm da nichts ? Traust du es dich nicht oder ist es dir nicht so wichtig ? Da würde ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen, vielleicht werden deine Wünsche nicht 100%ig erfüllt werden, aber ein Versuch kann ja nicht schaden. Und - kann ja sein es gefällt IHM auch nicht so wie es 'sich' abspielt. Schon einmal daran gedacht ?
"statt dessen fake ich als ob mir das Spass macht." Das passt nahtlos zu dem Verschweigen und dem "sich selbst belügen". Zeig doch ein wenig mehr Selbstbewußtsein und verlange von ihm etwas, er verlangt es schließlich auch von dir.
Das 'Verhältnis' zu deinen Eltern scheint mir nun überhaupt nicht zu stimmen. Auch da kann ich dir nur 1 Rat geben: darüber reden, und zwar mit den direkt Betroffenen: deinem Vater und deiner Mutter. Natürlich ist das schwierig, sehr schwierig sogar. Aber - das kannst du, denn schließlich sind es deine Eltern. Sollten sie dich nicht verstehen können oder wollen, so hast du es zumindest versucht. Auch das kann 'heilen'.
So, das war vielleicht ein wenig viel und manchmal auch sehr direkt, aber es ist genau das, was ich darüber denke und fühle. Ich hoffe dir damit, auf welche Art auch immer, ein klein wenig geholfen zu haben.
"...und jetzt ist mir dieser Beitrag recht peinlich." Braucht es nicht, ähnliche Probleme und Situationen kenne ich von mir selbst. Ausserdem ist dies hier ein Board in dem du absolut anonym schreiben kannst - wenn du das möchtest.
"Die drei "Lügen" .. belasten mich wirklich ziemlich, da ich eigentlich ein recht offener und ehrlicher Mensch bin, das mag zwar im Widerspruch zu meinen Geheimnissn stehen, aber es funktioniert so." Dazu: 1. diese Lügen scheinen dich nicht nur 'ziemlich' zu belasten, sondern sehr. 2. das steht nicht nur im Widerspruch, das ist ein Widerspruch wie er im Buche steht. 3. es funktioniert eben nicht ! ! !
Zu dieser Selbsthilfegruppe die du damals besucht hattest: da hast du so ziemlich alles falsch gemacht was man falsch machen kann. So eine Gruppe soll dafür da sein dass es DIR gut geht, nicht dass die anderen 'stolz' auf irgendeinen Erfolg sind. Diese 'sich-selbst-als -Gruppe-auf -die-Schulter-klopfen - Mentalität ist bei solch einer Problematik ganz, ganz fehl am Platz. Dass du selbst bei der Sache nicht ehrlich warst, das musst du dir allerdings selbst ankreiden.
"..so wie das was ich hier gepostet habe klingt das nach einem echten "nutcase"..." Ja. Finde ich auch. Was soll denn NOCH schlimmer werden ? Es sei denn, du möchtest dich nicht selbst 'anonym outen', sondern dich 'outen lassen'. Denn lange wirst du mit diesen Problemen nicht mehr hinter dem Berg halten können. Das ganze 'schöne' Kartenhaus wird zusammenfallen und es fragt sich: was und wer bleibt dann übrig ?
Den Post von Richie kann ich nur mitunterschreiben, formuliere aber 1 Satz etwas anders: es wird dir (denkst du jedenfalls) gut gehen solange es jemanden gibt, dem es noch schlechter geht wie dir.
Versuche den inneren Schweinehund zu überwinden und lass zu dass man dir helfen darf. Diesen Schritt musst du allerdings selbst tun, er muss von dir aus erfolgen.
Tommie hat Dir ja schon einige wichtige Dinge geschrieben.
Eine kleine Ergänzung noch: ich glaube, das intelligente und von der beruflichen Position höher stehende Menschen es hier in mancher Hinsicht schwerer haben. (Es gibt da ja auch den etwas brutalen Spruch: "Wer schlau ist, muß länger saufen.")
Ich denke man sollte sich nicht zu sehr selbst im Wege stehen mental. Wende einfach mal "Occams Messer" an und lege los. Einfache aber klare Schritte können Dich weiter bringen !!
Und wenn Du Probleme mit dem outen hast, wg. Deiner Position, hier meine Erfahrung: ich habe ein Diplom und einen Magistergrad, bin seit 12 Jahren trocken / clean, arbeite seit 10 Jahren bei demselben Arbeitgeber und seitdem weiß auch jeder Bescheid: Von negativen Reaktionen habe ich bis heute nix gemerkt. (Wirklich !)
dem kann ich nur zustimmen und möchte auch ein wenig "persönliches" dazu schreiben.
Es erging mir genauso. Was mich positiv überrascht hatte. Mein Arbeitgeber ist im weitesten Sinn der 'Staat'. Ich habe jeden Tag mit vielen ständig wechselnden, teils auch 'bekannten' Personen zu tun. Im Endstadium meiner nassen Zeit hatte ich nur 1 Bestreben: ja Niemandem zu nahe kommen. Natürlich ging das auf Dauer nicht. Ich rechnete fest damit, nach der Therapie "heruntergestuft" oder "degradiert" zu werden. Das Gegenteil war der Fall. Viele haben erkannt, dass ich mich geändert habe, zu meinem UND zu ihrem Nutzen. Es gab also keinen Grund eines negativen Feedbacks. Mittlerweile bin ich sowohl von der Position her als auch aus finaziellem Gesichtspunkt "aufgestiegen". Was aber noch viel wichtger ist: es geht mir verdammt gut so wie es mir geht.
ich habe eure antworten mehr als einmal gelesen und muß mich damit erstmal auseinandersetzen. ich habe viel nachgedacht...morgen werde ich darauf ausführlich antworten. so viel schon mal vorneweg: ich habe mich mit meinem problem meinem derzeit trockenen nachbarn anvertraut. lief ganz gut...mehr darüber morgen...