Ich fand es am Ende sehr anstrengend, den Konsum zu kontrollieren. Biere zählen, Trinkregeln...und dann doch gelegentliche Abstürze. Das schlechte Gewissen danach. Der komplette Verzicht fällt mir leichter. Das erste Jahr Abstinenz war schwer, nun ist es Normalität und kostet mich auch keine Anstrengung mehr. Für mich käme kontrolliertes Trinken nicht in Frage und ich bedauere das auch nicht.
Anfangs gab es für mich keine andere Option, als einen totalen Cut zu machen und nichts mehr zu konsumieren. Rumgeeiert und mir vorgemacht ich könnte es kontrollieren, damit hatte ich etliche Jahre verbracht und bin jedes mal wieder nackig vor mir gestanden.
Heute, nach vielen Jahren der Abstinenz, sehe ich keinen Sinn darin auch nur einen Tropfen zu mir zu nehmen, auch wenn ich es wieder sein lassen könnte. Wozu auch?
Ein Leben ohne ist um so vieles reicher an Echtheit und Autenthizität, dagegen kommt kein Tröpfchen Alkohol an...
Zitat von malo im Beitrag #212Ein Leben ohne ist um so vieles reicher an Echtheit und Autenthizität, dagegen kommt kein Tröpfchen Alkohol an...
Das ist wahrscheinlich das Geheimnis des erfolgreichen Suchtausstiegs. Vor kurzem hörte ich in einem Video von einem Psychiater: "Wer mit dem Rauchen aufhört, braucht etwas anderes, für das er ist." Und das lässt sich m.E. auf jeden Suchtausstieg übertragen. Es bringt wenig zu wissen, was man nicht mehr will, wenn man kein erstrebenswertes Ziel hat, also keine Idee davon hat, was man haben will.
Bei mir war es die Freiheit. Den Verlust an Freiheit verbinde ich letztendlich jedoch nicht mit dem Suchtmittel, sondern mit der Sucht als solcher. Der Alkohol, Tabak usw. ist m.E. nur Mittel zum selbstzerstörerischen Ziel.
Ich hatte nichts, außer den Wunsch und auch das Ziel, nicht mehr trinken zu müssen.
Als so langsam der Geist klarer wurde und sich wieder Leben in mir regte, entwickelten sich auch wieder kleine Etappenziele. Aus diesen entstand mit der Zeit und viel Geduld ein abstinentes Leben, welches für die weitere persönliche Reifung unerlässlich war.
Und das schöne dabei, es ist noch lange nicht fertig...es geht immer weiter, bis die Klappe irgendwann fällt.
Auch für mich hat die Abstinenz mehr Freiheit geschaffen und Zwänge reduziert. Allein schon den Tag zu planen, die Stunden bis zum Feierabend und dem nächsten Schluck zu zählen, alles anstrengend. Ich musste ja ständig etwas dabei haben, um mich gut zu fühlen oder in kurzen Abständen eine "Tankstelle" anlaufen. Dieses Verstecken, TicTac lutschen, Leergut entsorgen nimmt irgendwann viel Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch. Und mit welchem Ziel? Um sich einigermaßen zu fühlen und über die Runden zu kommen. Schlechtes Geschäft.
Das klappt nun nüchtern auch ganz gut und ich bin einigermaßen in Mittellage ohne nachhelfen zu müssen. Manchmal erinnere ich mich an den Schub und die Euphorie, die das erste Glas ausgelöst hat. Auch die unmittelbar entspannende Wirkung war praktisch. Ich glaube, das ist das tückische an allen Drogen. Entspannung, Euphorie und gute Laune auf Knopfdruck. Im natürlichen suchtfreien Dasein dauert das alles etwas länger, funktioniert aber besser und hält länger vor. Ich habe gern und aus freien Stücken konsumiert. Keiner hat mir das Zeug in den Hals geschüttet. Das zu akzeptieren hat mir auch geholfen, nüchtern zu werden. Die Schuld nicht bei anderen suchen und die Dinge sehen wie sie sind, bzw. waren. Akzeptanz.
Einfache Glaubenssätze haben mich gerettet: Das erste Glas stehen lasse. Jeden Tag. Andere Ansätze fand ich am Anfang eher verwirrend: Kapitulation, nasses Denken... Da hat sich so eine akademische Kulisse aufgebaut, die mich zeitweise mutlos machte. Das schaffe ich sowieso nicht.
Ich wünsche allen ein schönes Jahr in Ruhe, Gesundheit und Gelassenheit. Und macht Werbung für dieses Forum. Ich finde es schade, das es so ruhig ist.
Mal wieder ein Lebenszeichen. Was mit dem Rauchstopp begann und mit dem Ausstieg aus der Alkoholabhängigkeit seine Fortsetzung fand, brachte mich in der Coronakrise an den Punkt, wo ich entweder gegen meine Überzeugung mit der Masse schwimmen oder mir selbst treu bleiben musste. Diese Entscheidungssituation löste Ängste aus, und ich bin mir sicher, dass sie ohne die Erfahrung, Süchten erfolgreich trotzen zu können, einen anderen Ausgang genommen hätte. So aber konnte ich die Ängste überwinden und das tun, was ich für richtig hielt. So wie ich zuvor die Vorstellung hinter mir ließ, dass Tabak oder Alkohol etwas langfristig Positives bewirken können, ließ ich die Vorstellung hinter mir, nur in Deutschland glücklich existieren zu können. Ich komme immer mehr in dem Land meiner Wahl an und stelle dasselbe fest wie nach den Suchtausstiegen: Ich fühle mich besser und stärker. Mit Deutschland habe ich etwas losgelassen, so wie ich auch den Tabak und den Alkohol losließ. Ich kann jederzeit zurückkehren, muss es aber nicht. Und das ist, wie ich so oft schon beschrieb, die Freiheit, die ich anscheinend brauche. Katro
Aus meiner persönlichen Sicht war es ein gutes Jahr. Es war ein Jahr, in dem ich immer wieder erfahren durfte, dass ein Leben ohne Sucht viele positive Energien freisetzt.
In Zeiten der Sucht ging es eigentlich im Wesentlichen darum, meinen Konsum vor anderen Menschen zu verbergen, zu versuchen möglichst wenig zu konsumieren, den Ausstieg immer wieder zu probieren, mit dem Scheitern nach jedem der vielen Ausstiegsversuche klarzukommen, Ängste niederzukämpfen, die sich auf mögliche bzw. zu erwartende Folgekrankheiten bezogen usw.
Das hört sich nach einer Menge Verarbeitungsstoff an. Und das war es auch.
All diese Zeit, all diese Energien sind jetzt frei für das wirkliche Leben. Und dass dieses Leben aus mehr als nur körperlichen Bedürfnissen besteht, ist eine Erkenntnis bzw. Erfahrung, die ich wahrscheinlich nur deshalb machen darf, weil ich meine Süchte, und hier insbesondere die Alkoholsucht hinter mir ließ.
Für mich selbst sehe/formuliere ich die Sache ein bisschen anders. Ich bin zwar in allerlei Illusionen verstrickt gewesen, kann aber nicht sagen dass ich mit Blindheit geschlagen war oder gänzlich im 'unwirklichen' Leben verweilt habe.
Da ich nicht ständig trank, waren immer Phasen präsent, in denen ich mich nach einem authentischen und suchtfreien Leben gesehnt habe. Diese Sehnsucht wurde mit dem Leidensdruck tiefer und tiefer. Und als diese kleine und zarte Flamme dann schließlich zum Blitz wurde, war der Kreislauf beendet. Der authentische Ruf war die ganze Zeit da, wie ein Kompass, der zwar außer Sicht gerät, jedoch vorhanden ist.
Frage: wie sieht die Freiheit im wirklichen Leben jetzt aus?
Keep up the good work
Randolf
"Wenn du ein Problem hast und es nicht haben willst, hast du bereits zwei. "
Zitat von Randolf im Beitrag #220 Frage: wie sieht die Freiheit im wirklichen Leben jetzt aus?
Anfangs sah ich die Freiheit darin, dass ich nicht mehr rauchen oder trinken musste, obwohl ich weder rauchen noch trinken wollte. Also auf rein körperlicher Ebene.
Mehr und mehr erfuhr ich jedoch eine Freiheit, die das geistige/spirituelle Leben angeht. Ich konnte plötzlich spüren/empfinden, dass ich mehr bin als mein Körper. Und das führte zu einem wachsenden Vertrauen in die Zukunft und einer abnehmenden Furcht vor negativen Situationen in der Gegenwart.
Der Blickwinkel und insbesondere die Erfahrungswelt ist größer geworden. Er/sie umfasst nicht mehr nur das Körperliche/Materielle, sondern wurde um Empfindungen erweitert, die ich früher nicht spüren konnte und deshalb für Humbug hielt. Diese für mich neue Offenheit beschert mir aktuell das größte Freiheitsgefühl. Es gibt eigentlich nichts mehr, was mir Daumenschrauben anlegt.
Ich sitze jetzt schon einige Minuten vor dem Bildschirm und frage mich, wie er eigentlich war, mein "Weg aus dem Suff".
Ich glaube, dass dieser Weg stark von meinem Empfinden geprägt wurde, dass ich nicht vom Alkohol hintergangen wurde, sondern ihn ausnutzte, ihm abpresste mir das zu geben, was ich brauchte und auf diesem Weg schnell und ohne Mühe bekam. Ich musste leider -und das weiß jeder Anhängige- im Zeitablauf nur immer mehr pressen, weil Gewöhnung einsetzte. Und so wurde die Abhängigkeit geboren und damit der Verlust meiner Freiheit.
Mein Weg aus dem Suff stand deshalb von Anfang an unter dem Motto bzw. dem Willen, wieder frei atmen zu können. Heute glaube ich, dass es nicht der Alkohol war, der mich versklavte, sondern meine falsche Sicht auf die Welt. Ich war verkopft und fühlte mich in diesem verkopften Leben nicht wohl, konnte mein Unwohlsein aber nicht mit der Verkopfung in Zusammenhang bringen.Und so benutzte ich den Alkohol, um die Verkopfung für eine gewisse Zeit zu beenden oder zumindest zu reduzieren.
Durch die Ablösung vom Alkohol wurde ich frei, andere Wege zu gehen. Ich ging sie und vermutlich hatte ich dabei auch unverschämtes Glück oder schlicht und einfach Hilfe vom Universum/Gott/wie auch immer. Die Verkopfung ist weg, die Intuition wieder neben oder auch gleichberechtigt zur Ratio Grundlage meines Lebens und meiner Entscheidungen.
Dieses Leben und Erleben ist nur ohne Anhängigkeit möglich. Und ich freue mich, dass ich es leben darf.
Der Alkoholismus ist ein Symptom, kann das so gesagt werden aus deiner Sicht? Ein Mittel zum Zwecks, temporärer Ausstieg aus der Verkopfung, aus den Zwängen & der Lebensangst? Schlussendlich die Erkenntnis, dass ein Leben ohne Alkohol nicht nur möglich ist, sondern dadurch erst der Weg hin zur Freiheit und der ganze Lebensfülle geebnet wird. Entwicklung.
Toll, dass es Dir gut geht und Danke für deinen Beitrag.
Grüße, Bodhi
Einfach SEIN- genügt völlig und mehr geht auch nicht. Das ist das volle Glück.
Ich sehe im Alkoholismus weniger ein Symptom als vielmehr das offensichtliche Scheitern einer Strategie, wobei diese Strategie nicht immer bewusst gewählt werden muss, sondern wie bei mir aus einem anfänglich positiven Erleben des Alkohols geboren werden kann.
Bei einem bin ich mir sicher: Die Strategie MUSS scheitern.